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Offener Brief zum Thema Hochwasser

Veröffentlicht: 04.06.2024
Autor: Andreas Lerg
Die Hochwassermauer vor der Station der DLRG Oppenheim.

Nachfolgend ein zugegeben sehr langer, offener Brief des Vorsitzenden Andreas Lerg zum Thema Hochwasser.

Auf dem Bild sehen Sie die Station der DLRG Oppenheim. Vor dieser Station steht eine Hochwasserschutzmauer entlang der B9. Am Sonntag wurden die Durchlässe der Mauer mit den im Bild zu sehenden Aluminium-Sperrbalken verschlossen. Auf den zweiten Blick werden Sie sicher erkennen, dass unser Gebäude, das als Vereinsheim und vor allem als Station für uns als Wasserrettungs- und Katastrophenschutzeinheit dient, damit IM Hochwasser steht, falls dieses weiter deutlich ansteigt. Als die Mauer geplant und dann gebaut wurde, haben wir uns dafür eingesetzt, dass diese hinter unserem Gebäude entlanggeführt wird und wir damit in den Hochwasserschutz einbezogen werden. Doch das wurde damals im Jahr 2007 seitens der Struktur- und Genehmigungskommission und der Landesregierung mit Mehrkosten von rund 180.000 € abgelehnt. Eine Wasserrettungsorganisation, die im Katastrophenschutz und damit auch im Hochwasserschutz tätig ist und eingesetzt wird, wurde damals trotz umfangreicher Interventionen auch zahlreicher lokaler Politiker in Oppenheim und der Verbandsgemeinde seitens der entscheidenden Stellen als nicht schützenswert betrachtet.

Wir wurden rechtzeitig informiert und haben unsere Station geräumt. Unsere Boote stehen jetzt an verschiedenen „Übergangsstandorten“ in der VG-Rhein-Selz in Oppenheim und Dienheim. Sie stehen allerdings jetzt im Freien und nicht mehr in einer Halle. Ein Materialanhänger mit all unserem Einsatzmaterial ist privat untergestellt. Alles, was nicht für Einsätze essenziell ist, haben wir auf den Dachboden geschafft oder hochgestellt. Was passiert, wenn das Hochwasser tatsächlich signifikant ansteigen und unsere Station überfluten würde, mag man sich nicht vorstellen. Eine zeitnahe Rückkehr mit unseren Fahrzeugen und unserer Ausrüstung wäre in diesem Fall wohl nicht mehr möglich, das Gebäude müsste zuerst saniert werden. Wie Gebäude nach einer Überflutung aussehen, ist anhand zahlreicher Bilder aus betroffenen Regionen sehr gut vorstellbar. Das all das, all diese Gedanken und Sorgen, mit ehrenamtlich engagierten Menschen „etwas macht“, muss ich vermutlich nicht näher erläutern. Diese Gedanken haben mich schließlich auch dazu bewegt, diesen offenen Brief zu schreiben, den Sie gerade lesen und der meine Meinung, meinen Standpunkt darstellt. Ich spreche hier für mich.

Aber es geht mir als erstem Vorsitzenden der DLRG Oppenheim hier in diesem offenen Brief eigentlich nicht um unsere eigene Lage, die derzeit ohne ein Hallenbad als „dauerhafte“ Trainingsstätte ohnehin alles andere als einfach ist. Nein, es geht mir um das Thema Hochwasser an sich! Nicht lokal, nicht regional, sondern generell!

Sobald heute ein Starkregenereignis angekündigt wird, lautet die Frage längst nicht mehr „Ob wohl ein Hochwasser kommt?“ Nein, sie lautet heute „wie hoch wird das Hochwasser dieses Mal steigen?“ Oder ganz konkret: „Wie schlimm wird es?“ Und es ist viel zu oft viel zu schlimm! Aktuell in Bayern und Baden-Württemberg mit Dammbrüchen in Pfaffenhofen. Besonders erschütternd ist, dass dort ein Feuerwehrmann in den Fluten bei einem Rettungseinsatz ums Leben gekommen ist. Ein weiterer wird derzeit vermisst. Die Gesamtzahl der Todesopfer beim aktuellen Hochwasser in Süddeutschland liegt derzeit bei fünf. Vor kaum zwei Wochen gab es das Hochwasser im Saarland. Im Dezember und Januar die Fluten in Niedersachsen. Drei Beispiele für schwere Hochwasserkatastrophen allein in diesem Jahr! Und an die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021, die 134 Menschenleben forderte und bis heute massiv nachwirkt, denken wir mit Schrecken.

Niemand wird ernsthaft leugnen wollen und können, dass die Zahl der Hochwasserereignisse und damit die Zahl der Hochwasserkatastrophen steigt. Und diese Entwicklung hat eine Reihe bestens belegter Ursachen. Da wäre einerseits der Klimawandel, durch den es vermehrt zu extremen Wetterereignissen kommt, einschließlich heftigerer und häufigerer Starkregen-Ereignisse. Diese Starkregen führen oft zu Überschwemmungen, da Böden und Flusssysteme die Wassermengen nicht schnell genug aufnehmen und abführen können. Und diese Entwicklung schreitet weiter voran! Ganz einfach: Es wird schlimmer werden! Viele weitere Ursachen sind von Menschen gemacht, also von uns allen. Ich spreche hier mal beispielhaft zwei wesentliche Punkte nur in Stichworten an: Zum einen die Versiegelung von Flächen in Siedlungsräumen inklusive das „immer näher an Gewässer bauen“. Zum anderen die Veränderung der Landnutzung mit durch Flurbereinigungen „leergeräumten“, riesigen Agrarflächen und die Begradigung von Flüssen, einschließlich dem „Raub“ von Auenflächen und Schwemmland. Und in manchen Regionen sind Hochwasserschutzmaßnahmen nicht ausreichend oder werden erst nach einer Katastrophe ertüchtigt, anstatt das präventiv im Vorfeld zu machen. Ich könnte hierzu noch viel mehr schreiben, aber ich hoffe, mein Punkt ist klar geworden.

Kommen wir von der Erkenntnis zu den nötigen Konsequenzen. Es kann schlicht und ergreifend so nicht weitergehen. Es muss ein Umdenken stattfinden! Ein Umdenken primär in der Politik auf allen Ebenen und in den diversen signifikanten Entscheidungsstellen. Wenn Politiker bei einer solchen Hochwasserkatastrophe vor Ort erscheinen, sich ein Bild von der Lage machen und mit betroffener Miene in die Objektive der Kameras der Medien schauen, dann ist das gut und auch gänzlich richtig. Aber das Vor-Ort-Sein allein, und rhetorisch ausgefeilte Appelle reichen nicht. Noch viel eher müssen Politiker handeln! Handeln durch überfällige, richtige und zukunftsweisende Entscheidungen. Entscheidungen, die Faktoren berücksichtigen, die wir selbst nicht oder nur sehr langfristig beeinflussen können. Ich rede vom schon erwähnten Klimawandel, der inklusive der ebenfalls erwähnten Auswirkungen, wie zunehmende Extremwetterlagen endlich von ALLEN Politikern absolut ernst genommen werden muss. Es müssen Entscheidungen mit langfristiger Wirkung getroffen werden, auch wenn diese nicht in den Wahlkampf und eine einzelne Legislaturperiode passen.

Welche Maßnahmen? Es geht um Maßnahmen, die Hochwasser wohl nicht verhindern, aber doch abmildern können und müssen. Zunächst mal dürfen gerade die Landschaften nahe an Flüssen nicht mehr uneingeschränkt als Bauland betrachtet, versiegelt und „vollgestellt“ werden. Nicht nur an den großen Flüssen, sondern auch den vermeintlich kleinen, die bei Starkregen ihre scheinbare Harmlosigkeit verlieren, müssen dort, wo es noch machbar ist, natürliche Flussverläufe und Auenlandschaften wieder hergestellt werden. Das, um dem Wasser mehr Raum und Fläche zu geben. Dazu gehört die Schaffung von Überflutungsflächen, die bei Hochwasser als natürliche Rückhaltebecken dienen. Und „gesteuerte“ Polder müssen dann auch genutzt werden. Dazu gehören auch die Wiederaufforstung und Erhaltung von Wäldern, insbesondere in Einzugsgebieten von Flüssen und die Anlage von Grünflächen und Renaturierung von Feuchtgebieten. Regenwasser, dass die Chance hat großflächig zu versickern, läuft nicht mehr in die Flüsse. Das gilt auch für wasserdurchlässige, statt versiegelter Flächen in Siedlungsräumen. Die Bebauung von stark durch Hochwasser gefährdeten Regionen muss aufhören. Ziel all dieser Entscheidungen muss wie schon beschrieben sein, die Auswirkung von Hochwasserereignissen zu mildern und deren Auftreten vielleicht wieder etwas seltener zu machen.

Immerhin ein Thema hat bereits Fahrt aufgenommen, auch wenn man hier wohl feststellen muss, dass man aus dem sprichwörtlichen Schaden klug geworden ist. Es wird in den konkreten Hochwasserschutz investiert. Vom Bauen und Ertüchtigen von Dämmen, Deichen und Ähnlichem über die bessere Ausstattung und Ausbildung der diversen Rettungskräfte, bessere Frühwarnkonzepte, Notfallpläne und neue Einsatzstrategien. Da ist vieles in Bewegung geraten und entwickelt sich in die richtige Richtung. Auszubauen sind hier die Schulungen und Informationskampagnen für die breite Bevölkerung.

Kommen wir nach diesem doch recht langen offenen Brief noch einmal zum Einstiegsbild von unserer Station am Oppenheimer Hafen zurück. Aktuell sieht es im Hinblick auf die Hochwasser-Pegelstände so aus, dass die Katastrophe bei uns vor Ort dieses Mal ausbleibt. Morgen, am Mittwoch, werden die Schließen der Durchfahrten und Durchlässe in der Hochwassermauer zurückgebaut. Nachdem wir dann seit Montag bei der Dammwache mit im Einsatz waren, können wir am Mittwochabend dann alles wieder in unsere Station einräumen. Dann können wir für dieses Mal das Fazit ziehen: „Glück gehabt“. Und doch bedrängt mich die Frage, wie oft wir dann in Zukunft – nicht nur in Bezug auf unsere eigene Situation mit der Hochwassermauer – sagen müssen „Glück gehabt ... mal wieder“. Noch mehr fürchte ich – auch in jeder Hinsicht – wenn eines Tages das Fazit „Pech gehabt“ lauten muss. Ein bitteres Fazit, das schon jetzt für sehr viele Betroffene des Hochwassers in Bayern gilt.

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